3. Fun für Dich: Denglish
Das erste Kapitel in Deutsch, das zweite in Englisch. Was liegt näher, als im Dritten beide Sprachen zu mischen? Zur genaueren Erörterung dieser Frage möchte ich an dieser Stelle ein Beispiel aus der Welt der Programmiersprachen geben. Programmiersprachen haben den Vorteil, dass sie einen einfachen Grund-Wortschatz aufweisen und nicht gesprochen werden, d.h. reine Schriftsprachen sind. Vorranging um Schriftsprache geht es ja bei der einleitenden Frage.
# Perl und Bourne gemischt:
system("rm wochenplan.pdf");
# natives Perl
unlink("wochenplan.pdf");
Auch Programmiersprachen lassen sich mischen, wie im Beispiel gezeigt wird. Die Perl-Funktion system ruft den Bourne-Interpreter auf, der seinerseits das externe Programm rm zur Entfernung der Datei geschäftsbericht.txt aufruft. Eine Recht komplizierte Vorgehensweise, welche aber oft in Computer-Programmen von Anfängern zu finden ist, denen noch die Erfahrung im Umgang mit der Sprache fehlt. Das fehlende Wissen über die Funktion unlink wird kompensiert durch die Kombination der Universal-Funktion system mit dem Wissen über das externe Werkzeug rm zur Entfernung von Dateien. Auf diese Weise ist das Programm in kürzester Zeit lauffähig.
Jeder erfahrene Perl-Programmierer wird bei der oben gezeigten Mischung der Sprachen einen Schrei des Entsetzens ausstossen, weil er um die damit verbundenen Gefahren weiss. Die Bedenken sind technischer Art, zum Beispiel könnten sich rm oder der Bourne-Interpreter später anders verhalten, schliesslich sind beide nicht Teil von Perl als Sprache. Als Folge könnte die Datei nicht oder eine andere Datei gelöscht werden. Und weil das in der Praxis tatsächlich vorkommt, wird immer wieder geraten, die Möglichkeiten einer Programmiersprache auszuschöpfen, bevor man andere Sprachen hinzumischt.
Leider ist es in den letzten Jahren üblich geworden, viel Englisch in die Deutsche Sprache zu mischen, obwohl dazu keine Notwendigkeit besteht. Aber bevor ich auf die möglichen Ursachen eingehe, ist es noch notwendig, den Bezug zu den Programmiersprachen herzustellen. Die deutsche Schriftsprache ist sicherlich sehr viel komplexer als Perl. Trotzdem ist der Zweck in beiden Fällen gleich: Informationen zu übermitteln, ohne dass deren Urheber zugegen wäre. Bei einem Buch werden in Abwesenheit des Autors Informationen an den Leser übermittelt, bei einem Programmtext an den Prozessor des Rechners. Genau das ist der Unterschied zur gesprochenen Sprache, bei der immerhin eine unterstützende Betonung gegeben werden kann, wenn nicht sogar der Autor persönlich zugegen ist und auf diese Weise Gesten oder Rückfragen möglich sind. In diesem Sinne gehört auch eine eingetippte Plauderei (engl. chat) im IRC, den virtuellen Räumen oder im Heise Newsticker trotz der Verwendung von Buchstaben eher zur gesprochenen Sprache.
Man kann also festhalten, dass es für die Informationsübermittlung Medien mit verschiedenen Bandbreiten gibt. Papier ist sozusagen das alte Modem, getippte Plaudereien sind schon DSL und die Anwesenheit vor Ort ist 100base-T Ethernet. Der Rückschluss "Im Chat haben mich immer alle verstanden, daher brauche ich zum Schreiben eines Buch keine Grammatik-Kenntnisse" führt daher nicht zum Erfolg: Was bleibt von einem Video übrig, das von DSL-Qualität auf Modem-Bandbreite herunterproduziert wird? Ich will an dieser Stelle nicht den vielzitierten Untergang des Abendlandes heraufbeschwören, aber die Notwendigkeit und die Vorteile von Schriftsprache für unsere Kultur sollte man schon verständlich vermitteln. Eine immer komplexer werdende Welt erfasst man besser mit einer guten Schriftsprache.
Drei Ursachen für die Verenglischung der Deutschen Sprache stellen sich mir dar:
- Künstliche Aufwertung von gewöhnlichen Produkten durch Verwendung der englischen Bezeichnungen. Beispiele: LCD-Display statt LCD-Anzeige, Music Awards statt Musikpreise, Server-Cluster statt Server-Gruppe oder Open-Air-Konzert statt Freiluftkonzert.
- Die Bequemlichkeit, die Kenntnisse aus Sprachen unreflektiert in andere zu übernehmen. (Siehe oben.)
- Fehlender Mut zu mehr Selbstbewusstsein. Das steigert sich dann bis hin zur Mystifizierung, man könne to mount nicht mit montieren übersetzen, weil noch andere (unerforschte?) Bedeutungen in "mount" stecken würden.
Natürlich gibt es auch den umgekehrten Fall, nämlich dass deutsche Worte hin und wieder in der englischen Sprache verwendet werden. Beispiele: Kindergarden, Autobahn oder heimlich. Aber dieser Anteil ist ohne Bedeutung und bleibt tatsächlich im Rahmen einer Bereicherung der Sprache, nicht der einer Verdrängung.
Die derzeitige Verenglischung des Deutschen halte ich aus den skizzierten Gründen für bedenklich, aber nicht für unausweichlich. Einzelne gewaltsam übersetzte IBM-Handbücher vergangener Tage sind zumindest für mich kein Argument, nicht nach besseren Lösungen zu suchen.
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